Magazin
MAGAZIN
Fachwerk für die Technik
#greenbuilding

Fachwerk für die Technik

Das Deutsche Technikmuseum in Berlin bekommt ein neues Empfangsgebäude. Der Entwurf des österreichischen Architekturbüros Innauer Matt zeigt mit seinem imposanten Fachwerkdach, dass der Holzbau heute vor allem eines verkörpert: Fortschritt durch Nachhaltigkeit.

Der Anhalter Bahnhof in Berlin Kreuzberg war einst das Tor zur Welt, als das imposante Bauwerk 1880 eröffnet wurde. Von hier fuhren Züge in das Herzogtum Anhalt – daher der Name – und später dann bis nach Rom, Athen und zum Bosporus. Hier befand sich zudem der größte Warenumschlagplatz der Stadt. Alles, von Milch und Fleisch bis hin zu Stahl und Postpaketen, kam über den „Anhalter“ nach Berlin. Im Zweiten Weltkrieg wurde ein großer Teil der Gebäude zerstört und schließlich verlor er – wie so viele Bahnhöfe aus der Pionierzeit der industriellen Revolution – im Laufe der letzten Jahrzehnte an Bedeutung. 1983 zog das Deutsche Technikmuseum in einen Teil des Betriebswerks ein, im noch erhaltenen östlichen Kopfbau des Bahnhofs eröffnete man das zugehörige Science Center Spectrum. Dazwischen klaffte seither eine Lücke, die man mit Hilfe eines Architekturwettbewerbs, den die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) europaweit auslobte, schließen möchte.

Modell, Deutsches Technikmuseum, Berlin, Innauer Matt, Holzbau, Fachwerk, Empfangsgebäude, Wettbewerb
Zwischen das Haupthaus und das Spectrum schiebt sich der neue, langgezogene Bau, der künftig als Empfangsgebäude dient.

Gefragt waren 2.500 Quadratmeter Nutzfläche, die das fehlende Raumangebot decken und als Bindeglied zwischen den beiden getrennten Bauwerken des Museums fungieren. Weiters sollte es eine „eigenständige Architektur“ mit Wiedererkennungswert sein, die den historischen Bestand überzeugend ergänzt, und zwar in gestalterischer, funktionaler und wirtschaftlicher Hinsicht. Der Beitrag von Innauer Matt Architekten mit Sitz in der Vorarlberger Gemeinde Bezau konnte die Jury mit einer großen Mehrheit überzeugen.

Auf der Höhe der Zeit

Der siegreiche Entwurf zeigt einen Holzbau mit einem auffallend hohen, gekappten Dach, dessen Fachwerkkonstruktion an den auskragenden Giebelseiten offen zutage tritt. Dieser Blick auf das warme Holz der Dachinnenseite wirkt einladend und verspricht bereits im Außenraum eine Gemütlichkeit, die einen im Inneren erwartet. Unterstrichen wird dies noch durch die dunklen, rautenförmigen Dachschindeln, die zur Gänze aus Photovoltaik-Schupppen bestehen. 

Mit der traditionsreichen Holzbauweise und dem High-Tech-Element der energiewirksamen Hülle entsteht ein Bau, der Vergangenheit und Zukunft auf eindrucksvolle Weise miteinander verbindet. Die Nachhaltigkeit des Gebäudes ist damit auch auf den ersten Blick erkennbar und bescheinigt dem Technikmuseum, auf der Höhe der Zeit zu sein. Nicht nur klimafreundlich im Betrieb, sondern durch den modernen Holzbau auch CO2-freundlich in der Errichtung.

Innenraum, Deutsches Technikmuseum, Berlin, Innauer Matt, Holzbau, Fachwerk, Empfangsgebäude, Wettbewerb
Durch das transparente Erdgeschoss und die zurückgenommene Einrichtung richtet sich der ganze Fokus auf die Fachwerkkonstruktion aus Holz.

Alles unter einem Hut

Mit der markanten Gestaltung hat der Neubau durchaus das Zeug, zum neuen Wahrzeichen des Museums zu werden. Laut der Fachjury gleiche die Form einem hohen Hut, während die aufgefalteten Vordächer an den Längsseiten außerdem die historischen Lagerhallen in der direkten Umgebung zitieren.

Zwischen das im kaiserzeitlichen Bau untergebrachte Spectrum und dem postmodern aufgeladenen Haupthaus von 2001 schiebt sich ein unerwarteter Baukörper.

Jury unter dem Vorsitz von Jórunn Ragnarsdóttir

Während einige Wettbewerbsbeiträge eine markante Querverbindung zwischen den beiden Bestandsbauten vorschlugen, gingen die Architekten von Innauer Matt einen anderen Weg. „Zwischen das im kaiserzeitlichen Bau untergebrachte Spectrum und dem postmodern aufgeladenen Haupthaus von 2001 schiebt sich ein unerwarteter Baukörper“, schreibt die Jury. „Dabei gelingt es zweifelsfrei und einladend, einen neuen Eingang für das Deutsche Technikmuseum zu formulieren.“

Schnitt, Deutsches Technikmuseum, Berlin, Innauer Matt, Holzbau, Fachwerk, Empfangsgebäude, Wettbewerb
Im Schnitt gleicht der Entwurf des neuen Empfangsgebäudes einem hohen Hut.

Dezente Verbindung mit Mehrwert

Die Verbindung zu den beiden Museumshäusern erfolgt über zwei schmale Brücken an den Seiten, die sich im Kontext sehr zurücknehmen. Gleichzeitig schaffen sie durch verglaste Einschnitte neue Sichtbezüge am ehemaligen Bahnhofsgelände. Das transparente Erdgeschoss des neuen Empfangsgebäudes ist von allen Seiten zugänglich, damit verzichtet man konsequent auf Vorder- und Rückseiten und schafft eine „hervorragende Aktivierung der umliegenden Freiflächen“, wie es die Jury formuliert.

Spektakuläre Holzbauten für Museen liegen derzeit im Trend. Für die Erweiterung des Technischen Museums in Stockholm, den Wisdome, setzte man etwa auf eine zweifach gekrümmte Gitterschalenkonstruktion. Und ein gekrümmtes Fachwerkdach wird künftig den ergänzenden Bau des Frammuseums in Oslo zieren. 

Das neue Empfangsgebäude des Deutschen Technikmuseums ist einmal mehr ein Beweis dafür, dass der Holzbau seine ehemals rustikalen Gefilde endgültig verlassen hat. Vielmehr steht er heute für eine Bauweise, die in die Zukunft weist. Für Fortschritt durch Nachhaltigkeit.

Text: Gertraud Gerst
Visualisierung: Anna Gassner, Innauer Matt Architekten

Weitere Artikel
für Sie:

„Holz hat sich seit Jahrhunderten bewährt“
#greenbuilding
„Holz hat sich seit Jahrhunderten bewährt“

Ist der Baustoff Holz tatsächlich die Antwort auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts? Und wo liegen die Grenzen des modernen Holzbaus? Der "Holzpapst" Hermann Kaufmann kennt die Antworten. Kaufmann zeichnet im Team mit 03 Arch. für die Architektur der von UBM Development und ARE Austrian Real Estate entwickelten Timber Factory verantwortlich.

In Albert Einsteins Fußstapfen
#greenbuilding
In Albert Einsteins Fußstapfen

Das Europäische Forschungszentrum für Kern- und Teilchenphysik erforscht den Aufbau der Materie. Eine Erkenntnis ist gesichert: Das neue Forschungszentrum CERN B777 von Henning Larsen wird rund sein und großteils aus Holz bestehen.

Ein Sommerhaus, das mitwächst
#wohnen
Ein Sommerhaus, das mitwächst

Im Norden der dänischen Insel Seeland haben Norm Architects das Heatherhill Beach House entwickelt – ein Strandhaus, das so wandelbar ist wie die umgebende Natur.

Eine Uni probt die Bauwende
#greenbuilding
Eine Uni probt die Bauwende

Das Marga Klompé Haus der Universität Tilburg ist das erste Unigebäude der Niederlande, das aus Holz gebaut ist. Teil des kreislauffähigen Designs von Powerhouse Company ist eine Dämmung aus recycelten Jeans.

Ein Hafen macht auf
#stadtplanung
Ein Hafen macht auf

Baltimores Inner Harbor soll revitalisiert und noch mehr ein Ort für Menschen werden. Die beauftragten Architekten von 3XN wissen, was sie tun, denn Kopenhagen hat dieselbe Entwicklung bereits hinter sich.

Ein Holzbau für den Wiener Prater
#greenbuilding
Ein Holzbau für den Wiener Prater

Das neue Pratermuseum ist eröffnet. Architekt Michael Wallraff hat einen der ersten öffentlichen Holzbauten der Stadt entworfen und das Klimasystem gemeinsam mit einem Wiener Start-up dekarbonisiert.

Willkommen im Ökotop
#greenbuilding
Willkommen im Ökotop

Der neue Masterplan Ecotope des dänischen Architekturbüros 3XN soll der renommierten Schweizer Bildungs- und Forschungsanstalt EPFL das bringen, was derzeit fehlt: Grünflächen statt Asphaltwüsten, zirkuläre Materialien statt Beton und Stahl.

Die tun was für Studierende
#architektur
Die tun was für Studierende

ASAS arkitektur hat die Studentenwohnheime der Toneheim Folkehøgskole durch neue ersetzt. In der Mitte: ein Hof, der in Norwegen traditionell „Tun“ heißt. Die dorfähnliche Struktur fördert das Zusammenspiel der Bewohner. Perfekt für ein Musik-College.

Wie Phönix aus der Asche
#stadtplanung
Wie Phönix aus der Asche

Im einstigen Industrieviertel der südenglischen Stadt Lewes entsteht Großbritanniens größtes Quartier in Holzbauweise. Phoenix nennt sich das neue Stadtgebiet, mit dem ein kleiner Developer den britischen Wohnbausektor aufmischt.

Die schickste Tanke landauf, landab
#architektur
Die schickste Tanke landauf, landab

Am nördlichen Stadtrand von Coburg entsteht ein öffentlicher E-Ladepark, der zum inklusiven Ausfliegsziel im Grünen werden soll. Das Büro DKFS Architects setzt auf einen futuristischen Holzbau, der Natur und Technik in Einklang bringt.

Mach die Welle!
#architektur
Mach die Welle!

Das Kilden Performing Arts Centre in der norwegischen Stadt Kristiansand ist eine Freiformkonstruktion aus Holz mit über 14.000 Einzelteilen. ALA Architects schafften eine Form mit dramatischer Geste – und konkreter Funktion.

Turmbau zu Großarl
#hotel
Turmbau zu Großarl

Das Naturresort Moar Gut in der Salzburger Bergwelt hat Zuwachs bekommen. Die Neubauten in moderner Holzbauweise passen zur lokalen Baukultur und stärken den bäuerlichen Bestand. Zentrales Element der Erweiterung sind die 5-geschossigen Suitentürme.

Ein Holzbau für McDonald’s
#greenbuilding
Ein Holzbau für McDonald’s

In São Paulo befindet sich Brasiliens „nachhaltigster McDonald’s“. Er ist aus Holz gebaut und dient als Lehrprojekt für das nachhaltige Bauen. Für den Konzern ist der Holzbau ein „Rezept für die Zukunft“.

Bhutan baut die Stadt der Zukunft
#stadtplanung
Bhutan baut die Stadt der Zukunft

Das kleine Königreich hat große Pläne: Mit der visionären „Mindfulness City“ soll ein vorbildlich nachhaltiges Wirtschaftszentrum entstehen, das der Philosophie des „Bruttonationalglücks“ voll entspricht. Gebaut wird nach einem Masterplan des dänischen Star-Architekten Bjarke Ingels.

In freier Schwebe
#greenbuilding
In freier Schwebe

Der TUM Campus im Münchner Olympiapark zeigt, wie eine durchdachte Holzkonstruktion Ressourcen und damit auch Kosten sparen kann. Der aktuell größte Holzbau Europas wurde jetzt für den DAM Preis 2024 nominiert. 

Grünes Büro in der Gartenstadt
#greenbuilding
Grünes Büro in der Gartenstadt

Die beeindruckende Stadtplanung Singapurs wurde von Eric Parry Architects um ein Gebäude bereichert. Entstanden ist mit dem Headquarter von Wilmar International ein grünes Büro, das zum Verweilen einlädt.

Holz-Hochhaus knackt 100-Meter-Marke
#greenbuilding
Holz-Hochhaus knackt 100-Meter-Marke

Über 120 Meter hoch, zu großen Teilen aus Holz gebaut und mit einer Glasfassade, die Strom erzeugt: In Offenbach soll ein Büroturm namens Namu künftig die Skyline prägen.

Die Arche Chinas
#stadtplanung
Die Arche Chinas

Die Zhangjiang Zementfabrik gehörte früher zu den drei größten Zementfabriken Shanghais. Nun soll sie renoviert und neu genutzt werden – MAD Architects entwarfen dafür ein Projekt der Vielfalt: The Ark.

Groß gedacht im Kleinformat
#wohnen
Groß gedacht im Kleinformat

Wie ein Schrebergartenhaus in den Hügeln Wiens trotz kleiner Grundfläche Villen-Flair bekommt, zeigt das Projekt Villa minimale von Clemens Kirsch Architektur. Der Landsitz im Kleinformat wurde mit dem German Design Award 2024 ausgezeichnet.

Mexikos größter Holzbau
#greenbuilding
Mexikos größter Holzbau

Das Architekturbüro Dellekamp Schleich hat in Mexiko-Stadt den bislang größten Ingenieur-Holzbau des Landes entworfen. Das Bürogebäude Jardín Anatole ist nicht nur nachhaltig gebaut, es soll auch Erdbeben gut standhalten.

Schliessen
Vermietung

Sie möchten wissen,
welche Flächen und Vorteile­ die Timber Factory für Ihr­ Unternehmen bietet?

Wir freuen uns auf­ Ihre Nachricht!

This site is registered on wpml.org as a development site. Switch to a production site key to remove this banner.